Seit wir den Impfstoff haben, stellt sich eine Frage: Kommt eine Impfpflicht? Der Europarat hatte sich bereits im Januar dagegen ausgesprochen. Wie die Landesregierung dazu steht, wollte ich bereits im April wissen. Im Mai hieß es dazu: „Die Landesregierung steht einer Impfpflicht zur Eindämmung des Corona-Virus-SARS-CoV-2 ablehnend gegenüber.“ Soweit, so gut. Sollte man meinen. Weitere Rückfragen offenbarten aber bereits damals, wie sich in der Vorstellung der Landesregierung eine „freiwillige Impfung“ darstellt.

Gefragt nach einer „Impfpflicht durch die Hintertür“, die beispielsweise dann entsteht, wenn Dienstleister Nicht-Geimpften ihre Dienstleistungen verweigern, verweist die Landesregierung auf die sogenannte Vertragsfreiheit und argumentiert zur Ausgrenzung aus dem gesellschaftlichen Leben: „Dies schafft einen Anreiz, sich impfen zu lassen, um wieder leichter am gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können.“ Was die Landesregierung hier also bestätigt, ist genau das Prinzip einer „Impfpflicht durch die Hintertür“. Wer nicht von der Impfung selbst überzeugt ist, soll durch andere Anreize zur Impfung „motiviert“ werden.

Die Landesregierung schrieb in ihrer Antwort zwar konkret, dass „niemand diskriminiert werden darf, wenn man nicht geimpft ist.“, relativiert dies aber unmittelbar im Folgesatz. Ihre Aussage: „Das hindert die Landesregierung aber nicht, Einschränkungen für geimpfte Personen zurückzunehmen.“, heißt im Umkehrschluss: Nicht-Geimpfte oder Impf-Unwillige müssen damit rechnen, dass sie weiterhin Einschränkungen aufgebürdet bekommen – also auch bei einer völlig neuen Gefahrenlage in Bezug auf die Pandemie?

In einer weiteren Frage wollte ich wissen, ob denn wenigstens eine Herdenimmunität von 70% bis 80% der Bevölkerung dazu führen wird, dass die Landesregierung die einschränkenden Maßnahmen für alle Bürger aufhebt. Hierzu verweigerte die Landesregierung im Mai ein klares „ja“ oder „nein“. Stattdessen wurde auf Virus-Mutationen und Unklarheiten bei der Dauer einer Immunität hingewiesen. Die Landesregierung folgerte: „Aus diesen theoretischen Überlegungen heraus sind zukünftig Unterschiede in einschränkenden Maßnahmen zum Schutz bestimmter Bevölkerungsgruppen denkbar.“ Was das konkret heißen soll, war im Mai unklar und ist auch heute noch unklar.

Auch meine Anfrage Drs. 18/9381 „Abwägungsfragen im Rahmen der Pandemiepolitik und Fragen zum „allgemeinen Lebensrisiko“ gibt dazu keinen Aufschluss. Hier hatte ich mit Bezug auf den Ethikrat danach gefragt, welchen Grenzen der Infektionsschutz unterliegt und ab welchem Punkt das Prinzip des hinzunehmenden „allgemeinen Lebensrisikos“ im Hinblick auf COVID-19 greift. Die Landesregierung verwies hier ihrerseits auf den Ethikrat, der als Bedingung zum Erreichen dieses akzeptablen Risikolevels die weitgehende Vermeidung von Triage-Situationen, die Vermeidung von Belastungen und Folgeschäden und langfristige Lösungen nennt. Damit wird die Frage nach einer Rückkehr zur Normalität ebenfalls nicht beantworten.

Hier geht es zu den Anfragen und Antworten:


Drs. 18/9266: Wie steht Niedersachsen zu einer Corona-Impfpflicht?
https://www.landtag-niedersachsen.de/Drucksachen/Drucksachen_18_10000/09001-09500/18-09266.pdf

Drs. 18/9381: Abwägungsfragen im Rahmen der Pandemiepolitik und Fragen zum „allgemeinen Lebensrisiko“
https://www.landtag-niedersachsen.de/Drucksachen/Drucksachen_18_10000/09001-09500/18-09381.pdf