Deutschland hat gewählt. Das Ergebnis muss man erst einmal sacken lassen. Knapp jeder zweite, der zur Wahl ging, hat die beiden Parteien gewählt, die die letzten vier Jahre im Bund regierten – und damit auch die Parteien, die die Politik dieser Jahre – inklusive Corona-Missmanagement – zu verantworten haben. Dieses „Weiter so“, für das 44,6 % der Wähler mit Zweitstimme votierten, macht stutzig. Man fragt sich, wie viel CDU und SPD eigentlich noch falsch machen müssen, bevor die entsprechenden Wähler ihre Regierung abstrafen?
Immerhin: Die CDU hat einen dicken Denkzettel erhalten. Das schlechteste Ergebnis ihrer Parteigeschichte wird nach 16 Jahren zum Vermächtnis der Ära Merkel. Möglicherweise versetzt das die CDU sogar auf die Oppositionsbank, wo es sich gut darüber nachdenken lässt, wie es mit der eigenen Partei so weit kommen konnte. Derzeit meldet sie allerdings erst einmal selbstgefällig den Anspruch auf Regierungsverantwortung an – so wie sie es immer tut.
Große Freude herrscht währenddessen bei der Quasi-Schwesterpartei der CDU, der SPD. Sie profitierte mit Olaf Scholz von den Dauerfettnäpfchen der grünen und schwarzen Konkurrenz-Kanzlerkandidaten. Finanzminister Scholz musste dafür nicht einmal viel richtig machen, er musste einfach nur weniger falsch machen. Traurig, dass das inzwischen reicht…
Die Zukunft des Landes hängt nun davon ab, wie das kunterbunte Koalitionswürfelspiel ausgeht. Und hier ist wirklich alles möglich. SPD und CDU sitzen nun im Aktionshaus, wo sie um die Gunst von Grünen und FDP wetteifern werden. Das könnte zu inhaltlichen Zugeständnissen führen, die besonders mit Blick auf die Grünen schmerzhaft für alle Konservativen im Land werden könnten.
Schade auch: Die Linkspartei wäre beinahe mit 4,9 Prozent aus dem Bundestag geflogen. Da aber drei Direktmandate errungen wurden, zählen auch ihre Zweitstimmen. Damit erhalten die dunkelroten Sozialisten mit Planwirtschafts- und Enteignungsfetisch 39 Mandate.
In der AfD bahnt sich derweil ein vorprogrammierter Streit an: Bei der Interpretation der Wahlergebnisse stolpert sie über die Frage, ob man sich als Partei zu sehr auf die bestehende Stammwählerschaft konzentriert und sich zu wenig fragt, warum man so viele Wähler verliert beziehungsweise nur so wenige neue dazugewinnt. An der Frage entbrennt sich der AfD-Dauerstreit zwischen den einen, die eine scharfe Trennung von radikalen Strömungen fordern und denen, die die radikalen Strömungen bewusst in die Partei integrieren. Spätestens auf dem nächsten Parteitag werden beide Sichtweisen einmal mehr unversöhnlich aufeinanderprallen.
Zuletzt der Blick auf die Klein- und Kleinstparteien – auch auf meine eigene. Mit 8,7 Prozent aller abgegebenen Stimmen haben 3,7 Prozent mehr als noch vor vier Jahren für die Parteien gestimmt, die sich unter „Sonstige“ finden. Diese 8,7 Prozent verteilen sich allerdings auf sehr viele Parteien. Selbst die Freien Wähler, die in Prognosen zwischenzeitig oberhalb von 3 Prozent standen, erreichten am Ende nur 2,6 Prozent Zweitstimmenanteil. Als LKR werden wir uns leider trotz eines mutigen und couragierten Wahlkampfs fragen müssen, wie wir mit dem Ergebnis umgehen. Den Kandidaten und Wahlkämpfern möchte ich für ihren Einsatz danken.