Das dem Gesundheitsministerium unterstellte Robert Koch-Institut hatte kürzlich eingestanden, dass vermutlich nicht alle Impfungen vollständig erfasst werden, so dass die Impfquote höher liegen dürfte als bislang gemeldet. Das führt uns zu zwei Erkenntnissen: Erstens ist das vom Gesundheitsministerium geführte RKI offensichtlich nicht in der Lage, den Impffortschritt genau zu messen. Eigentlich ein großer Skandal für sich, zumal die Impfquoten für die Politik ein entscheidender Indikator sind, wie streng sie vor allem mit Ungeimpften umgeht. Die zweite Erkenntnis ist, dass wir bei einer Impfquote von bereits bis zu 80,9 % aller Erwachsenen (die bei den Ü60-Jährigen noch höher ist) und den wahrscheinlich auch im Millionenbereich unterschätzten Genesenenzahlen viel stärker darüber diskutieren müssen, welche Freiheitseinschränkungen überhaupt noch verhältnismäßig sind.
Machen wir uns in diesem Zusammenhang noch einmal klar, was die Corona-Einschränkungen bedeutet haben und bis heute bedeuten: Es handelt sich um Eingriffe in durch das Grundgesetz garantierte Freiheiten aller Deutschen. Diese Einschränkungen brauchen eine Rechtfertigung, die keinen Zweifel an der Verhältnismäßigkeit lässt. Ungeimpfte unter der Maßgabe von 2G oder 3G entweder ganz auszugrenzen, oder ihre Teilhabe von einer kostenpflichtigen medizinischen Zusatzkontrolle abhängig zu machen, braucht also eine belastbare Begründung zur Verhältnismäßigkeit. Wie sieht diese im Oktober 2021 aus?
Vor dem Hintergrund, dass sich die noch nicht Geimpften vor allem aus den Altersgruppen der nicht vulnerablen Personen ergeben und vor dem Hintergrund, dass die vulnerablen Gruppen zu großen Teilen durchgeimpft sind, bleibt in Sachen Covid-19 noch ein Restrisiko, das es zu bewerten gilt. Andere Länder wie Dänemark haben dies ebenfalls getan. Der dortige Gesundheitsminister Magnus Heunicke erklärte nach Erreichen einer Impfquote von 74,9 Prozent Erstimpfungen und 70,2 Prozent vollständigen Impfungen (also einem Wert, den wir auch in Deutschland erreicht haben): „Die Epidemie ist unter Kontrolle“. Dazu erklärte er: „Die Regierung hat versprochen, nicht länger als nötig an den Maßnahmen festzuhalten, und nun sind wir da.“
Was uns Dänemark hier bereits Mitte September vorgemacht hat, ist eine Politik, die Freiheitsrechte als das achtet, was sie sind: Unveräußerliche Rechte, die auch in Pandemiezeiten nicht länger als unbedingt nötig eingeschränkt werden dürfen. Dabei sagt der dänische Gesundheitsminister aber auch, dass man schnell handeln werde, wenn die Pandemie trotz der guten Ausgangslage doch noch wichtige Funktionen in der Gesellschaft bedrohen sollte. Soweit vernünftig.
In diesem Sinne können wir auch in Deutschland einen „Freiheitstag“ begehen. Bewahren wir uns vor einem Winter und Frühling des Misstrauens und der Diskriminierung nach Genesenen- oder Impfstatus. Kehren wir zurück zur Einigkeit, zurück zum Recht, zurück zur Freiheit. Bleiben wir aufmerksam und umsichtig, aber hören wir auf, unseren Alltag mit Angst zu ersticken.