Guth zum Sonntag, 26.01.2020

KULTURSENSIBLE KITA: WENN KINDERFASCHING ZUM LINKEN POLITIKUM WIRD

Man möchte meinen, dass es in Deutschland aktuell große Probleme gibt. Das scheint jedoch nur ein gefühlter Zustand zu sein. Die wirklich weltbewegenden Herausforderungen werden derzeit in Thüringen thematisiert. In einem Monat ist Karneval und zu dem alljährlichen Treiben gehört inzwischen dazu, dass sich Menschen mit seltsamen Vorstößen hervortun. So auch dieses Jahr, wie wir der Berichterstattung von Bild, Thüringen 24 und anderen Quellen entnehmen können.

In die Vorreiterrolle (Nachahmung leider nicht ausgeschlossen) tritt diesmal ein Thüringer Studentenwerk, Verzeihung, „Studierendenwerk“ – das in der deutschen Sprache übliche generische Maskulinum wurde hier, wie in großen Teilen Deutschlands, bereits erfolgreich auf dem Altar „gendersensibler Sprache“ geopfert. Da man jedoch nicht jeden Unsinn mitmachen muss, erlaube ich mir, an meiner rückständigen Ausdrucksweise „Studentenwerk“ festzuhalten.

Die besonders rücksichtsvollen Verantwortlichen des Studentenwerks haben dieses Jahr jedenfalls neue Ankündigung zu machen. Nachdem man ihnen letztes Jahr vorwarf, mit einem sogenannten „Indianerfest“ Stereotype zu bedienen, wollte man dieses Jahr in vorauseilendem Gehorsam besonders kultursensibel sein und sich bewähren. Nicht auszudenken, wenn sich sonst wieder bestimmte Dauergekränkte in ihrer Dauerbetroffenheit zu einem öffentlichen Problem entwickeln. Die Lösung des Problems: Fasching in der Erfurter „Kita Campus Kinderland“ fällt dieses Jahr einfach aus.

Kostümverbot zu Karneval. Das ist wie Kreuzfahrt ohne Schiff. Konzert ohne Musik oder Studenten ohne Hirn. Scheinen die ersten drei Varianten eher unmöglich, wird letztes offensichtlich die Norm. Begründet wird es mit einem Verweis auf „Kultursensibilität“. Denn Faschingskostüme, behauptet man, könnten schmerzhaft oder gar entwürdigend sein. Das Studentenwerk möchte so ein Zeichen setzen. Im Karneval, wo es im Grundsatz darum geht, kostümiert in eine andere Rolle zu schlüpfen, kann sich schließlich jeder gekränkt und verletzt fühlen.

Nun will man als normaler Mensch meinen, dass es ziemlich schwer ist, sich durch das Faschingskostüm eines Dreijährigen verletzt zu fühlen. In der Denkweise unseres links-grünen Mainstreams kann beim Fasching jedoch alles zu einem Problem gemacht werden, wenn man nur weit genug ausholt.

Ich kann mir gut vorstellen, wie die Verantwortlichen im Studentenwerk die Beispiele einzeln durchgingen: Tierkostüme? Gegebenenfalls unsensibel gegenüber Tierschützer-Gefühlen. Mini-Maus, Märchenprinzessin oder Fee? Gegebenenfalls sexistische und antiquierte Frauen-Rollenbilder. Cowboy und Indianer? Gegebenenfalls Ausdruck weißer Kultur-Hegemonie. Polizist oder Soldat? Verherrlichung repressiver Staatsgewalt. Beziehen wir dann auch noch „moderne“ Genderdebatten mit ein, wird es richtig kompliziert. Ihr Sohn möchte sich als Pirat verkleiden? Wieso nicht als Piratin? Ihre Tochter als Prinzessin? Wieso nicht als Prinz? Erziehen Sie ihr Kind etwa in Richtung einer festgelegten (heteronormativen) Gender-Identität?

Dem ein oder anderen Leser mag all dies grotesk vorkommen und ich stimme Ihnen zu: es ist grotesk. Verharmlosen sollte man solche Entwicklungen jedoch nicht. Lässt man sie zur Normalität werden, finden sie immer mehr Nachahmer, die ihrerseits sagen: „Fasching fällt aus. Wir sind so kultursensibel.“

Schnell stellt sich die Frage nach Schauspiel in Film und Theater. Eine ganze Kulturbranche die davon lebt, zeitweise in andere Rollen zu schlüpfen. In der Folgelogik spielt dann in Zukunft jeder nur noch sich selbst?  Diese Denkweise hätte viele von uns um die Helden der eigenen Kindheit gebracht. Ein weißer Franzose Pierre Brice, völlig unsensibel als Indianer verkleidet – das darf es heute nicht mehr geben. Leb wohl Winnetou. Mach’s gut Karneval.

Guth zum Sonntag, 19.01.2020

„Megxit“ – Prinzessin sein in modernen Zeiten

Schmucke Kleider, schöne Prinzen zu weißem Pferd, prunkvolle Schlösser mit im Sonnenlicht schimmernden Türmchen: „Prinzessin sein“ gilt als ein kindlicher Traum vieler Mädchen. Die fabelhafte Welt des Märchens nährte diese Vorstellungen und es mag einer der Gründe sein, dass so viele Menschen auch in der Demokratie ein großes Interesse an „Royals“ haben, speziell am britischen Königshaus. Das darf zwar keine Dekrete mehr erlassen, aber in seiner repräsentativen Rolle, geprägt vom Glanz der alten Zeiten, strahlt es auf die Menschen eine Anziehung aus. So auch Prinz Harry und Prinzessin Meghan, deren Leben Millionen von Menschen in Europa über die „bunte Presse“ mitverfolgen und die seit Tagen besonderes Dauerthema sind: Sie wollen aus dem „königlichen Familiengeschäft“ aussteigen. Wie kann denn sowas sein?
Wenn Sie sich nun fragen, was mich als Politikerin an diesem Thema befasst, ist die Frage berechtigt. Die Antwort ist aber leicht gegeben:

Mich beschäftigt die Scheinheiligheit der internationalen Presse. Überschlägt man sich regelmäßig darin Frauenrechte zu fordern, gefühlte oder tatsächliche Ungerechtigkeiten anzuprangern und Paritätsgesetze aufstellen zu wollen. Entspricht die selbstbestimmte, am besten voll berufstätige und nebenbei ehrenamtlich tätige, klimaschützende, flüchtlingshelfende und „alte weiße Männer“ hassende Vegetarierin doch dem herbeifabulierten Ideal, übernimmt man im Fall „Meghan und Harry“ stumpf den Begriff „Megxit“. Auch die deutschen Qualitätsmedien. „Gehts noch?“, möchte man fragen. Mit diesem Begriff ist alles gesagt. Die Schuldfrage ist geklärt. Natürlich ist die Schuld der Frau. Warum hat Sie nicht einfach brav ihre Rolle als lächelndes Anhängsel und Nachwuchsbeschererin des Königshauses übernommen? Woher nimmt Sie sich das Recht, eine eigene Meinung und eine eigene Vorstellung von ihrem Leben haben zu wollen? Hier reißt sich die Medienwelt ganz einfach selbst die Maske ab. Frauenrechte ja, aber bitte nicht überall.

Mich erstaunt ebenfalls, dass sich die Öffentlichkeit darüber wundert, dass Menschen den Rückzug aus der Prominenz antreten wollen, wenn sie eine gewisse Art des Umgangs Leid sind. In diesem Fall beschäftigt mich das Beispiel Meghan, die in ihrer Rolle im eingeheirateten „Royal Business“ ständigen Angriffen ausgesetzt war, darunter auch Angriffen, weil sie US-Amerikanerin und „schwarz“ ist. Das Leben einer eingeheirateten Prinzessin in einer modernen „Klatsch-und-Tratsch“-Öffentlichkeit ist eben ein gänzlich anderes als im Märchen.

Ist es tatsächlich so schwer verständlich, dass zwei Menschen, die gerade Eltern wurden, vor dem Hintergrund einer sensationslüsternen Dauerbeobachtung irgendwann die Privatheit suchen? Ist es so schwer verständlich, dass zwei Menschen ein eigenes Leben leben wollen und nicht eines, dass allein von äußeren Erwartungen bestimmt wird und dass Ihnen Tradition und öffentliche Erwartung aufzwingen? Dies sind Fragen der Selbstbestimmtheit, die grundsätzlich viele Menschen betreffen. Und es fragt sich weniger, was das über diese Menschen sagt, und mehr, was über öffentliche Rollenerwartungen.

Während man einerseits nicht müde wird, das Ausbrechen aus traditionellen Rollen als gesellschaftlichen Fortschritt zu feiern , scheint man hier erstaunlich starr gegenüber einer tradierten Vorstellung. Dabei zeigt sich, dass die die Parallele zwischen „Megxit“ und „Brexit“ tatsächlich besteht. Sie ist aber nicht darin zu sehen, dass es hier eine „irrationale Kurzschlusshandlung“ gäbe, sondern darin, dass man sich in beiden Fällen schwer tut, die Motive zu verstehen, die in Menschen den Wunsch nach mehr Souveränität für das eigene Leben begründen.

Guth zum Sonntag, 12.01.2020

„Giga-Flop“ mit der „Giga-Factory“?

Zeitlich passend zum deutschen Hype um das Thema E-Auto und die Verteufelung des Diesels kam die letztjährige Ankündigung von „Tesla“-Chef Elon Musk, in Deutschland eine Fabrik zur Fertigung von Fahrzeugen zu bauen. 

Wer im November die Vorstellung des neuen Tesla Cybertruck online gesehen hat, weiß, wie es um den Hype des amerikanischen E-Auto-Herstellers und seines CEO steht. Elon Musk muss nur auf eine Bühne treten, schon jubelt man ihm zu. Bringt er dann noch ein neues Auto-Konzept mit, kennt die Euphorie keine Grenzen mehr.
Auch in Deutschland ist man gerade „Tesla“-euphorisch: Neben zwei Manufakturen in den USA und einer dritten, neuen, in China, soll Teslas vierte Fabrik nämlich in Deutschland entstehen. Genauer: Im Örtchen Grünheide in Brandenburg. Letzte Woche wurde der Kaufvertrag für das Grundstück unterschrieben. In wieweit der Name mitursächlich für die Standortwahl ist (Grünheide klingt ja bereits so wunderbar umweltbewusst), kann man allerdings nicht wissen. Das Grundstück bekam Tesla zu einem Spottpreis, der nur bei etwa 1/3 des eigentlich Bodenrichtwerts liegt (womit das Grundstück für etwa 80 Millionen Euro unter Wert über den brandenburgischen Ladentisch ging).

Wo in Grünheide derzeit noch eine große Grünfläche ist, sollen also irgendwann womöglich 500.000 Teslas jährlich übers Band laufen. Die Betonung liegt dabei aber eher auf „irgendwann“ und „womöglich“, denn im letzten Jahr lag Teslas weltweiter Absatz erst bei etwa 370.000 Einheiten. Naheliegenderweise werden die neuen Fabriken in Shanghai und in Brandenburg wohl keine halbe Million Fahrzeuge produzieren, solange der Absatzmarkt dafür fehlt… Aber dabei will man ja in Deutschland gerne helfen. Die Grünen haben letztes Jahr verlautbart, dass ab 2030 doch bitteschön nur noch abgasfreie Autos neu zugelassen werden sollen. Vielleicht setzt Teslas Strategieabteilung ja auf die Durchsetzung dieser grünen Straßenverkehr-Fata-Morgana in der Bundesrepublik. Auch das kann man nicht wissen.

Aber man soll nicht immer nur das Schlechte sehen: Für Brandenburg ist die neue Fabrik nun erst einmal ein Standortfaktor, der Wohlstand und Arbeitsplätze verspricht. Die Berliner Wirtschaftsverwaltung rechnete im November mit 6000 bis 7000 Stellen, wobei man (bitte jetzt nicht lachen) behauptete, dass Tesla die Nähe zum neuen Flughafen BER wichtig gewesen sei. Nun scheint sich aufzuzeigen, dass nicht nur die Nähe zu Berlin und dem Milliarden-Grab – Verzeihung – „Milliarden-Flughafen“ BER wichtig war, sondern wohl auch die Nähe zur Republik Polen. Der Presse ist zu entnehmen, dass bereits zwei Stellen für sog. „Recruitment Operations“- Koordinatoren ausgeschrieben sind, die fließend polnisch sprechen können sollen. Vor dem Hintergrund des Lohngefälles ins polnische Nachbarland könnte das herbeiersehnten brandenburgische Job-Wunder (die Landesregierung rechnet zunächst mit etwa 3000 neuen Arbeitsplätzen) kurzerhand zu einem nicht unerheblichen Teil an den von Grünheide nur 60 Kilometer entfernten EU-Nachbarn Polen gehen. Die meisten polnischen Mitarbeiter würden sich allerdings angesichts des Gehaltsgefälles wohl selbst keines der mitproduzierten Model 3 (ab 43.000 €) und Model Y (ab 56.800 €) leisten können. Der grenznahe Transit nach Grünheide müsste dann wohl eher mit Benzinern und Diesel-Fahrzeugen erfolgen, oder mit einem brandenburgischen E-Bus nach Polen (vielleicht einer von Tesla). WELT berichtete übrigens, dass „der Landkreis Oder-Spree die Zahl der ‚von Tesla angezogenen‘ Zuzügler auf 50.000 bis 100.000 Menschen schätzt“ und der Autobauer offenbar keine Tarifbindung eingehen will. Focus berichtete, Brandenburgs SPD-Wirtschaftsminister habe dem Unternehmen deutlich gemacht, dass „mittelfristig“ eine Tarifbindung erwartet wird und Telsa sei „dem Ansatz gegenüber offen“ gewesen. Was heißt in diesem Zusammenhang eigentlich „mittelfristig“ und „offen gegenüber dem Ansatz“?

Ich wünsche den Steuerzahlern, die immerhin mit 300 Mio. Euro Teslas Giga-Factory 4 subventionieren müssen, dass es mit dem Projekt einen besseren Verlauf als mit dem unrühmlich berühmten Flughafen BER nimmt.